Der Briefmarkt in Deutschland ist, wie in den meisten Ländern, durch einen strukturellen Rückgang der Briefmengen geprägt. Zwischen 2010 und 2022 sind die Mengen um mehr als ein Viertel zurückgegangen, im Durchschnitt um 2,6% pro Jahr. Die Wettbewerber konnten trotz des strukturellen Nachfragerückgangs sowohl bei Sendungen als auch bei Umsätzen ihren Marktanteil von 14-15% nach Menge und Umsatz halten.
Die aggregierten Briefmarktdaten vermitteln nur ein oberflächliches Bild über die tatsächlichen Entwicklungen im deutschen Briefmarkt und die Vielfalt der im Markt aktiven Zustelldienstleister. In diesem Diskussionsbeitrag wird der Zustellwettbewerb im deutschen Briefmarkt aus dem Blickwinkel der Preis- und Qualitätsstrategien sowohl der Wettbewerber als auch der Deutschen Post untersucht. Es wird erörtert, wie sich der Zustellwettbewerb zusammensetzt, vor welchen Herausforderungen die Wettbewerber stehen und welche Preis- und Qualitätsstrategie die marktbeherrschende Deutsche Post verfolgt hat und in Zukunft verfolgen könnte. Basierend auf diesen Analysen und in Ergänzung mit relevanten geplanten Änderungen des Regulierungsrahmens wird ein Ausblick über die Zukunft des Zustellwettbewerbs in Deutschland gegeben.
Der gesamte Markt, einschließlich der alternativen Zustelldienste (AZD), ist vom strukturellen Rückgang der Briefmengen und verlagseigene AZD zusätzlich vom Rückgang der abonnierten gedruckten Tageszeitungen betroffen. Steigende Arbeitskosten und Arbeitskräftemangel sind weitere Herausforderungen, denen sich die Unternehmen stellen müssen und die sie nur begrenzt beeinflussen können. Daraus ergeben sich steigende Stückkosten in der Zustellung für die Briefdienste. Wie diese damit umgehen (z.B. Akquise zusätzlicher Mengen, Effizienzsteigerungen, Angebot neuer Produkte), hängt dabei von der Strategie und dem Rückhalt ihrer Eigentümer, insbesondere der Verlagshäuser, ab.
Im Licht der Analyse der Preis- und Qualitätsstrategien, bestimmter geplanter Änderungen in der sektorspezifischen Regulierung und der geplanten Lockerung der Universaldienstvorgaben könnten sich zukünftig in Abhängigkeit der Preis- und Qualitätsstrategie der DPAG zusätzliche Spielräume für die Wettbewerber ergeben. Zudem haben auch die AZD und ihre Verbünde Möglichkeiten ihre Wettbewerbsposition zu verbessern, unter anderem durch eine verbesserte Kooperation untereinander und durch die Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle hin zu eigenständigen Zustellgesellschaften.
Infolge der geplanten Mehrwertsteuerbefreiung des Teilleistungszugangs jedoch würde Zustellwettbewerb und damit dessen disziplinierender Einfluss auf die Preis- und Qualitätsstrategie der DPAG sehr viel schneller abnehmen als es durch die strukturellen Marktentwicklungen bei Nachfrage und Kosten zu erwarten wäre. Es steht zu befürchten, dass eine Umsetzung der geplanten Mehrwertsteuerbefreiung trotz vieler vorgeschlagener Verbesserungen in der Aufsicht des Briefmarktes wie dem Konsistenzgebot oder dem Netzzugang für Warensendungen binnen kurzer Zeit zu einer Remonopolisierung des Briefmarktes führen würde.
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Diskussionsbeitrag zur Zukunft des Zustellwettbewerbs im deutschen Briefmarkt (Nr. 517)
Preis- und Qualitätsstrategien im Briefmarkt: Auswirkungen auf den Zustellwettbewerb in Deutschland
Wettbewerber im deutschen Briefmarkt stehen vor großen Herausforderungen, die durch eine geplante Mehrwertsteuerbefreiung für Teilleistungen der Deutschen Post erheblich verschärft werden.