Ingo Vogelsang
Federal Versus State Regulation in U.S. Telecommunications
Nr. 134 / Oktober 1994
Zusammenfassung
Bereits seit einer Reihe von Jahren hat die europäische Telekommunikationspolitik einen immer intensiver prägenden Charakter für die Telekommunikationspolitik in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union entwickelt. Mit Ausnahme der Anwendung der europäischen Wettbewerbsregeln gibt es jedoch keine unmittelbaren regulatorischen Befugnisse und damit auch kein unmittelbares regulatorisches Handeln auf europäischer Ebene. Europäische Telekommunikationspolitik beschränkt sich im gegenwärtigen europäischen Verfassungsrahmen ganz überwiegend auf die Schaffung europarechtlicher Grundlagen. Die Umsetzung dieses Rahmens und das darauf beruhende administrative regulatorische Handeln ist ausschließlich Angelegenheit von Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten. Gegenwäritg intensiviert sich in Europa die Diskussion um die Schaffung einer Regulierungsinstitution für den Telekommunikationsbereich auf europäischer Ebene. Vor diesem Hintergrund ist die vorliegende Studie entstanden. Sie hat die Funktionsweise des anders strukturierten Systems der Telekommunikationsregulierung in den USA zum Gegenstand.
Die vorliegende Studie wurde vom WIK konzipiert und von Prof. Ingo Vogelsang von der Boston University im Auftrag des WIK durchgeführt.
Viele regulierte Industrien in den USA werden traditionell sowohl auf der Staaten- als auch auf der Bundesebene reguliert. Dieses duale Regulierungsprinzip gilt insbesondere für Versorgungsunternehmen und den Telekommunikationsbereich. In Anbetracht der Vielfältigkeit der Abgrenzungsprobleme zwischen Staaten- und Bundesregulierung in den USA ist es erstaunlich, wie wenig systematische Analyse dieses Phänomen erfahren hat. Wichtige Teilaspekte sind unter juristischen Gesichtspunkten analysiert worden. Insbesondere gibt es jedoch praktisch keine umfassenden ökonomischen Analysen, die sich mit den Auswirkungen des dualen Regulierungssystems auf die Effizienz auseinandersetzen und damit eine Bewertung erlauben. Ökonomische Untersuchungen sind meist auf Teilaspekte, wie z.B. die Ineffizienz der "separations and settlements", beschränkt. Die hier vorgelegte Studie schließt diese Lücke auf der Basis eines ökonomischen Ansatzes. Einen besonderen Schwerpunkt der Studie stellt die Interaktion zwischen Bundes- und Staatenebene der Regulierung dar.
Das allgemeine Prinzip der Aufgabenteilung zwischen Regulierung durch die einzelnen Staaten und Bundesregulierung liegt in der Unterscheidung zwischen "intrastate" und "interstate commerce". Einzelstaatliche Regulierung ist grundsätzlich für "intrastate commerce" und Bundesregulierung für "interstate commerce" zuständig. Grundsätzlich werden dann auch in jedem regulierten Unternehmen zwischenstaatliche Transaktionen vom Bund und innerstaatliche Transaktionen vom einzelnen Staat reguliert. Da in der Praxis damit noch nicht für alle auftretenden Fälle die Regulierungsverantwortung klar gelöst ist, erfolgt die Aufteilung zwischen Staaten- und Bundesregulierung aufgrund von Kompetenzprinzipien. Das wichtigste Prinzip hier ist das der "federal preemption", nach dem Bundesregulierung der Regulierung durch die Staaten vorgeht, wenn zwischenstaatliche Kommunikation oder Telekommunikation davon materiell betroffen ist. Das Prinzip der "federal preemption" hat der FCC als der Bundesregulierungsinstanz im Laufe der Zeit gegenüber der einzelstaatlichen Regulierung durch die Public Utilities Commissions immer mehr an Gewicht verschafft. Historisch wären ohne die "federal preemption" die USA wahrscheinlich nicht zum Vorreiter von Wettbewerb und Marktzutritt im Telekommunikationsbereich geworden.
Die Interaktion beider Regulierungsebenen wird in der Studie anhand von sechs Regulierungsfeldern illustriert und bewertet. Alle Beispiele haben auch aktuelle Relevanz im europäischen Umfeld.
Die Studie entwickelt auch Bewertungsmaßstäbe, mit denen Stärken und Schwächen des dualen Regulierungsregimes identifiziert werden können und kommt dabei im einzelnen zu folgenden Erkenntnissen: Die Hauptstärke des dualen Regulierungssystems scheint darin zu bestehen, daß regulatorische Innovationen, die auf der Ebene einzelner Staaten entwickelt wurden, durch Imitation und das Prinzip der federal preemption sich relativ schnell landesweit entwickelt haben. Die Schwächen des Systems liegen vor allem im ökonomisch unbefriedigenden Ansatz der Separierung von Kosten auf die einzelnen Regulierungsebenen und in den rechtlichen Zuständigkeitsauseinandersetzungen. Insgesamt kommt der Autor zu einer positiven Gesamteinschätzung des dualen Regulierungssystems der USA. Dieses System hat sicherlich seine Basis auch in der besonderen Verfassungstradition der USA. Gleichwohl kann die Funktionsweise des amerikanischen Regulierungssystems wichtige Erkenntnisse für die Gestaltung des künftigen europäischen Regulierungsrahmens liefern.
[Nur in englischer Sprache erhältlich.]