Peter Kürble
Determinanten der Nachfrage nach multimedialen Pay-TV Diensten in Deutschland
Nr. 148 / Mai 1995
(vergriffen)
Zusammenfassung
Die Prognosen für das Wachstum des Marktes für multimediale Dienste differieren enorm. Eine Ursache ist die Vielschichtigkeit der unter diesem Begriff subsumierten Anwendungsmöglichkeiten. Eine andere liegt in dem Umstand begründet, daß sich der Markt erst bilden muß. So zeigt auch die Betrachtung des deutschen Videotex-Dienstes „Datex-J“ einerseits, daß Prognosedifferenzen in der Entstehungsphase eines Marktes nicht ungewöhnlich sind. Andererseits läßt sich eine weitere wichtige Erkenntnis aus den Erfahrungen mit diesem Markt ziehen: für den Markterfolg sind nicht alleine die technischen Möglichkeiten wichtig, sondern Bedienungsfreundlichkeit, Preis und ein für den Kunden erkennbarer Zusatznutzen des neuen Dienstes spielen eine entscheidende Rolle. Diesen Zusatznutzen den Kunden deutlich zu machen, kann als ein zentrales Problem für die Marktpenetration identifiziert werden, zumal es sich bei den neuen Diensten um typische Kritische-Masse Systeme handelt, denen Eigenschaften von Erfahrungsgütern zugeschrieben werden können.
Diese Einschätzung wird durch die Befassung mit dem zur gleichen Zeit eingeführten deutschen teletext-Dienst gestützt, dessen Nutzung kostenlos ist und der per TV-Fernbedienung genutzt werden kann. Die Marktpenetration lag Ende 1994 immerhin bei 17 Mio. Haushalten. Gleichzeitig zeigt sich anhand von „Videotext“ aber auch immer noch eine marginale Nutzung, die 1994 bei 17 v.H. der Haushalte und bei etwa 9 Kontakten pro Monat lag.
Die in den USA begonnenen und zum Teil auch schon abgeschlossenen Pilotprojekte mit Pay-TV weisen darauf hin, daß zum einen die Technik noch nicht den Stand erreicht hat, um einen Massenmarkt zu bedienen, zum anderen die Bereitschaft der Haushalte zur Teilnahme eher als gering eingestuft werden kann. So sind am größten us-amerikanischen Versuch in Orlando zur Zeit nur 12 Haushalte interessiert. In Kanada und den USA durchgeführte Umfragen ergaben zudem, daß viele Fernsehzuschauer tendenziell lieber passive denn aktive Teilnehmer am Programm sind.
Dieses TV-Verhalten scheint auch in Deutschland sehr ausgeprägt zu sein: Die Sehdauer ist zwar in den letzten Jahren wieder gestiegen, die aktive Teilnahme am Fernsehprogramm hat aber nachgelassen, wie sich anhand der zunehmenden Beschäftigung „mit anderen Dingen“ während des Fernsehens zeigen läßt. Ebenso geht die Nutzungsdauer des Videorecorders, als Äquivalent zum zukünftigen Pay-TV, zurück und hat sich gegenüber 1986 beinahe halbiert.
Da es in der Bundesrepublik noch keinen Markt für Pay-TV gibt, wurde auf Enwicklungen bei den Ausgaben für Massenmedien und verschiedene Umfragen und Prognosen abgestellt. Die Entwicklungen bei den monatlichen Aufwendungen für Massenmedien lassen eine Sättigungsgrenze bei einem Anteil an den Gesamtausgaben von 4 v.H. vermuten; eine Beobachtung, die durch Umschichtungsverhalten der Konsumenten in diesem Sektor belegt werden kann. Die in Deutschland durchgeführten Umfragen zeigen schließlich, daß zwar der Spielfilm mit weitem Abstand vor anderen Programmformen der Favorit bei den Fernsehzuschauern ist, aber weniger als die Hälfte der Befragten bereit ist, für eine solches Angebot in Form von Pay-TV zu zahlen. Andere Umfragen haben sogar ergeben, daß 69 v.H. der Befragten nicht bereit sind, zusätzliche Ausgaben zu tätigen und nur 6 v.H. wollten sich überhaupt neues Equipment für den Empfang der neuen Dienste anschaffen.
Die Erfahrungen bei der Neueinführung von online-Diensten und die Ergebnisse der Umfragen und Pilotprojekte scheinen Anhaltspunkte dafür zu sein, daß sich die Entwicklung des TV-gestützten MM-Marktes somit eher langsam vollziehen wird und es zu erwarten ist, daß auch zur Jahrtausendwende nur der geringere Teil der Bevölkerung die multimedialen Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung nutzen wird.
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