Brigitte Bauer
Nutzerorganisation und -repräsentation in der Telekommunikation
Nr. 166 / Oktober 1996
Zusammenfassung
Hinsichtlich der sich gegenwärtig vollziehenden technischen und ordnungspolitischen Neugestaltung des Telekommunikationswesens wird vielfach eine stärkere Beteiligung der breiten Öffentlichkeit und insbesondere eine stärkere Einbeziehung der Verbraucher angemahnt. Mit dem Argument, daß einzelne Konsumenten weder Zeit, noch Kenntnisse, noch Mittel haben, um ihren Interessen hinreichend Geltung zu verschaffen, wird dabei der Verbraucherorganisierung eine zentrale Bedeutung zugeschrieben. Kollektives Handeln soll eine bessere Durchsetzung von Verbraucherinteressen gegenüber politischen Entscheidungsträgern und Telefongesellschaften gewährleisten, also die Verbraucherposition stärken.
Ausgehend von einigen grundsätzlichen Erläuterungen zu Formen und Zielsetzungen der Verbraucherorganisierung, werden im Rahmen der Untersuchung zunächst am Beispiel der Bundesrepublik Grundmuster der Nutzerorganisation und -repräsentation in der Telekommunikation dargestellt. Dabei wird deutlich, daß sich bestimmte Nutzergruppen offensichtlich besser organisieren lassen als andere. Während nämlich - vereinfacht ausgedrückt - Geschäftskunden einen relativ hohen Organisationsgrad aufweisen und - hinsichtlich der Dauerhaftigkeit des Bestehens - feste Formen des Zusammenschlusses dominieren, scheinen bei privaten Haushalten mitunter erhebliche Organisationshemmnisse zu bestehen. Aus ordnungspolitischer Sicht führt dies zu der Frage, wie die nicht oder schwach organisierten Interessen geschützt werden können.
Eine Problemlösung wird vielfach darin gesehen, daß auf staatliche Initiative hin Personen oder Personengruppen die Verbraucherinteressen stellvertretend artikulieren, der Anstoß zur institutionellen Interessenvertretung also nicht direkt von den Verbrauchern ausgeht. Vor diesem Hintergrund werden Ansätze staatlich initiierter Fremdorganisation von Nutzerinteressen im Ausland einer genaueren Betrachtung unterzogen und deren Vorbildfunktion für den deutschen Telekommunikationssektor untersucht. Eine kritische Analyse, differenziert nach den den Vertreterorganen potentiell übertragbaren Aufgaben „Nutzerinformation und -beratung“, „Nutzervertretung gegenüber Telefongesellschaften“ und „Nutzervertretung gegenüber politischen Entscheidungsträgern“ macht deutlich, daß die staatlich initiierte Etablierung von Vertreterorganen mit nicht unerheblichen Problemen verbunden ist. Da die Vertreterorgane - wie immer sie sich rekrutieren mögen - selektiv vorgehen müssen, erweist sich die Vorstellung von der Möglichkeit der Schaffung eines umfassenden und dauerhaften Kräftegleichgewichts im Sinne der Einbeziehung aller vernachlässigter Nutzerinteressen als wenig realitätsnah. Gleichzeitig läßt sich zeigen, daß ein Verzicht auf die Etablierung von Vertreterorganen keineswegs zwangsläufig bedeutet, daß die schlecht oder nicht organisierten Interessen keine Berücksichtigung finden. Vor diesem Hintergrund wird für einen überaus zurückhaltenden Einsatz dieses verbraucherpolitischen Instruments plädiert.