Monika Plum, Stephan Steinmeyer
Preisdifferenzierung im Briefdienst - volkswirtschaftliche und unternehmenspolitische Aspekte
Nr. 170 / Februar 1997
Zusammenfassung
Traditionellerweise zeichnet sich der Postbereich durch eine uniforme Preisgestaltung aus, die jedoch mit zunehmendem Wettbewerb, sei es direkt im Zuge einer Liberalisierung der Märkte oder indirekt durch Substitutionswettbewerb, durch eine stärker differenzierte Tarifierung abgelöst wird. Dabei orientiert sich die Preisgestaltung der Postunternehmen vermehrt an Kosten- und Wettbewerbsaspekten.
Aus unternehmenspolitischer Sicht zielt Preisdifferenzierung auf die Erzielung von Kosteneinsparungen bzw. Erlössteigerungen sowie eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit ab. Geographische Preisdifferenzierung, die eine Aufhebung der Tarifeinheit im Raum voraussetzt, wird vornehmlich als Reaktionsmöglichkeit auf selektiven Marktzutritt z.B. in Ballungsräumen angewendet. Eine Differenzierung nach Mengen wird bei zunehmendem Wettbewerb zum einen eingesetzt, um große Kunden an das Unternehmen zu binden, zum anderen, um über höhere Mengen eine bessere Kapazitätsauslastung zu erreichen. Durch eine Tarifierung, die über die verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette differenziert, kann eine stärkere Arbeitsteilung zwischen Versender und Postunternehmen realisiert werden, die zu Kosteneinsparungen beim Postunternehmen führt. Eine Differenzierung nach Inhalten, wie sie von vielen Postunternehmen praktiziert wird, scheint in einem wettbewerblichen Umfeld, in dem vor allem das Segment der computergenerierten Massensendungen im Wettbewerb steht, nicht länger angemessen. Implizit wird damit eine qualitätsorientierte Preisdifferenzierung nach Laufzeiten betrieben, die jedoch unabhängig vom Inhalt sein sollte. Dadurch lassen sich sowohl Kosteneinsparungen als auch Wettbewerbsvorteile erzielen. Neben diesen Preisdifferenzierungsmöglichkeiten, die bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen allen Kunden zugänglich sind, werden zunehmend kundenspezifische Rabatte gewährt, die individuell ausgehandelt werden. Einzelne Kunden, die mit einer Abwanderung zur Konkurrenz drohen, sollen an das Postunternehmen gebunden werden. Zum Teil sind damit zwar auch Kosteneinsparungen verbunden, diese knüpfen jedoch weniger an persönlichen Merkmalen der individuellen Kunden an und sollten daher an alle in Frage kommenden Kunden weitergeben werden.
Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist eine stärkere Preisdifferenzierung sinnvoll, wenn sie zu Effizienzgewinnen, z.B. durch verstärkte Kostenorientierung oder Arbeitsteilung, führt. Die entscheidende Fragestellung ist daher, welche Preisstrukturen volkswirtschaftlich effizient sind. In einem Markt, der sich im Übergang vom Monopol zum Wettbewerb befindet, ist eine zentrale Zielsetzung die Gewährleistung eines funktionsfähigen Wettbewerbs. Bei der Beurteilung von Preisstrukturen ist deshalb die Vermeidung
von Preisdiskriminierung, die zu Behinderung der Wettbewerber und Benachteiligung von Kunden führen kann, anzustreben. Preisstrukturen sind diskriminierend, wenn die Differenzen der Preise nicht den Differenzen in den durchschnittlichen inkrementellen Kosten entsprechen. Zu betonen ist, daß nicht nur differenzierte Tarifstrukturen, sondern auch uniforme Tarife diskriminierend sein können. Es gibt allerdings Fälle in denen Preisdiskriminierung sachlich gerechtfertigt ist. So ist z.B. die Auflage der Tarifeinheit im Raum mit geographischer Preisdiskriminierung verbunden. Weiterhin gilt es abzuschätzen, inwiefern eine sachlich nicht gerechtfertigte Preisdiskriminierung zur Beeinträchtigung des Wettbewerbs führt. Eine Behinderung von Wettbewerbern und Benachteiligung von Kunden ist um so eher zu erwarten, je stärker die Marktstellung des Unternehmens. Daher sollte insbesondere das Preissetzungsverhalten von marktbeherrschenden Unternehmen auf sachlich nicht gerechtfertigte Preisdiskriminierung überprüft werden.
Die Überprüfung der einzelnen Preisdifferenzierungsmöglichkeiten auf Diskriminierungspotentiale erfordert in der Regel eine detaillierte Kostenanalyse zur Ermittlung der jeweiligen Kostendifferenzen. Aufgrund mangelnder Kosteninformationen sind hier nur Tendenzaussagen möglich. Bei der geographischen Preisdifferenzierung ist zu vermuten, daß eine entsprechende Differenzierung zwischen Ballungs- und ländlichen Räumen durch Kostenunterschiede gerechtfertigt werden kann. Daher können geographisch uniforme Tarife, wenn sie nicht durch entsprechende Auflagen bedingt sind, diskriminierend sein. Eine mengenorientierte Preisdifferenzierung läßt sich der Tendenz nach durch Kosteneinsparungen auf fast allen Stufen der Wertschöfpungskette rechtfertigen. Bei der Gewährung von Mengenrabatten sollten allerdings nur solche Leistungen berücksichtigt werden, die zu Kosteneinsparungen führen. Durch vertikale Preisdifferenzierung kommt es zur Entbündelung der Wertschöpfungskette und zum Angebot von Teilleistungen. Eine Tarifierung der Teilleistungen, die die eingesparten Kosten widerspiegelt, führt zu einer volkswirtschaftlich effizienten Arbeitsteilung, bei der die Leistung durch denjenigen erstellt wird, der dies zu den geringsten Kosten kann, sei es der Versender, das Postunternehmen oder ein Konsolidierer. Eine Differenzierung der Preise nach Inhalten ist aus volkswirtschaftlicher Sicht abzulehnen. Differenzierungskriterium sollte hier vielmehr die Qualität in Form von unterschiedlichen Laufzeiten sein. Eine individuelle kundenspezifische Preissetzung, die nicht den zugrunde liegenden Kostenstrukturen entspricht, ist als diskriminierend anzusehen.
Die Anwendung einer stärkeren Preisdifferenzierung in der Praxis sowie deren Auswirkungen kann im Rahmen zweier Länderstudien beobachtet werden. Am Beispiel der USA lassen sich die Auswirkungen einer vertikalen Preisdifferenzierung bei Beibehaltung des Monopols auf der Zustellebene analysieren. Durch eine ausgefeilte Rabattierung von Vorleistungen wie Sortierung, Barcodierung bis hin zu Einlieferung im Zielgebiet ist auf der Vorleistungsebene Wettbewerb sowohl durch große Versender als auch durch spezielle Vorleistungsanbieter wie Letter-Shops und Konsolidierer entstanden.
Da im Fall der USA detaillierte Kostendaten vorliegen, läßt sich feststellen, daß die Preisdifferenzierung weitgehend der aufgestellten Norm der Kostenorientierung entspricht. Am Beispiel Schwedens läßt sich beobachten, wie Postunternehmen auf selektiven, auf bestimmte Sendungsarten und Regionen beschränkten Markteintritt reagieren. Dabei kommt die gesamte Palette der Preisdifferenzierungsmöglichkeiten zum Einsatz und es wird deutlich, wie wichtig die Identifizierung von sachlich nicht gerechtfertigter Preisdiskriminierung sein kann.