Alwin Mahler
Strukturwandel im Bankensektor - Der Einfluß neuer Telekommunikationsdienste
Nr. 184 / März 1998
Zusammenfassung
Dem Bankensektor wird generell eine Vorreiterrolle beim Einsatz innovativer TK-Dienste - insbesondere im Zusammenhang mit Electronic Banking - zugesprochen. Bankdienstleistungen sind gekennzeichnet durch eine hohe Informationsintensität, sowohl des Wertschöpfungsprozesses ("value chain") als auch der erzeugten Produkte. Im Hinblick auf die derzeit bereits recht hohe Nutzung und die sich abzeichnenden rasanten Entwicklungen im Bereich der Telekommunikation ist es deshalb von besonderem Interesse, zu untersuchen, welche Auswirkungen dies auf die Struktur der Branche hat. Erkenntnisse hierzu wurden für die vorliegende Untersuchung insbesondere anhand von Expertengesprächen mit Vertretern verschiedener Bankengruppen gewonnen, die mitunter eine Überprüfung von überwiegend aus einem industrieökonomischen und organisationstheoretischen Blickwinkel abgeleiteten Hypothesen erlauben sollen. Mit dem zunehmenden Einsatz neuer TK-Dienste ergeben sich weitreichende Auswirkungen insbesondere auf den Vertrieb. Aufgezeigt wird die TK-basierte Leistungserstellung für die Erbringung von Bankleistungen in der Beziehung zum Kunden anhand von T-Online und insbesondere des Internet, über das mittlerweile auch Transaktionsdienstleistungen bis hin zur Abwicklung von Wertpapiergeschäften, aber auch die für die Entwicklung Elektronischer Märkte zentrale Abbildung von Prozessen des Zahlungsverkehrs realisiert werden. Grundsätzlich sehen die Experten mit dem Einsatz neuer TK-Dienste neben dem Bereich des Zahlungsverkehrs Veränderungen der Gestaltung der Leistungskette insbesondere für Anlageleistungen sowie sekundäre Bankleistungen im allgemeinen. Im Hinblick auf Auswirkungen des (veränderten) Prozesses der Leistungserstellung ist für den Bereich des Back-Office ein relativ hoher Grad an vertikaler Integration der Banken zu beobachten. Eine Ausgliederung IuK-Technologie-intensiver Funktionen an spezialisierte (fremde) Firmen findet danach kaum statt, und auch zukünftig erfolgt diese eher über der Eigenerstellung naheliegendere, wie zur Unternehmensgruppe gehörende Dienstleistungsgesellschaften. Entsprechend ergibt sich aus den vorliegenden Daten keine Bestätigung der Hypothese des Entstehens einer unabhängigen Zulieferindustrie. Dem stehen etwa die strategische Bedeutung, die in IuK-technologischen Systemen gesehen wird, sowie Veränderungen in der Struktur dieser Systeme - wie bspw. im Falle des Internet - entgegen. Bei den Untersuchungen nach dem Einfluß von TK-Diensten auf die Koordination der Leistungserstellung im allgemeinen bestätigt sich hingegen in weiten Teilen die zentrale Hypothese, wonach es mit dem vermehrten Technologieeinsatz zu einer stärkeren Auflockerung von Hierarchien kommt. Dies bestätigt sich sowohl für die Leistungskoordination innerhalb von Unternehmen als auch mit einer Tendenz hin zu symbiotischen Arrangements für Koordinationsformen auf dem Kontinuum zwischen Markt und Hierarchie bis hin zu Elektronischen Märkten, deren Herausbildung gerade für Bankleistungen bereits greifbar ist. Abschließend wird entlang der strukturellen Determinanten nach dem Analyserahmen zur Branchenstruktur nach Porter aufgezeigt, wie es mit dem zunehmenden Technologieeinsatz zu tiefgreifenden Veränderungen der Branchenstruktur kommt, wobei von den Experten insbesondere auf Veränderungen der Vertriebsstruktur und der damit einhergehenden zunehmden Verhandlungsmacht des Kunden sowie auf die Problematik des Aufbaus von Überkapazitäten verwiesen wird.