Wolfgang Elsenbast
Produktivitätserfassung in der Price-Cap-Regulierung. Perspektiven für die Preisregulierung der Deutschen Post AG
Nr. 192 / März 1999
Zusammenfassung
Der Produktivitätsfaktor "X" in der Price-Cap-Formel kann über unterschiedliche Ansätze bestimmt werden. Bislang scheint eine einfache Festlegung zu dominieren, welche Werte zwischen 0% und 1% fixiert. Dieses Vorgehen unterliegt aber der Gefahr, daß das regulierte Unternehmen den Regulierer zu seinen Gunsten einnehmen kann. Insofern ist eine analytische Herangehensweise wünschenswert. Beispiele hierfür sind ökonometrische Studien der Faktorproduktivität und regulatorische Prognosemodelle. Fundierte Produktivitätsstudien des Postwesens sind in den USA zu finden. Diese zeigen - unabhängig von der administrativen Preissetzung - eine jährliche Steigerung der totalen Faktorproduktivität von 0,4% bis 0,5% auf. Insofern scheinen die in der Regulierungspraxis anzutreffenden Werte für den X-Faktor tolerabel zu sein. Allerdings sind diese Werte nicht unbedarft auf andere Länder übertragbar, da sie durch das Handeln des Unternehmens beeinflußbar sind. Diese Kritik hat in der Telekommunikation zur Entwicklung von regulatorischen Prognosemodellen geführt. In diesen geht es darum, den X-Faktor so festzulegen, daß das regulierte Unternehmen über die Price-Cap-Periode eine wettbewerbliche Kapitalverzinsung erzielen kann. Ein derartiges Modell wurde von der britischen Regulierungsbehörde Oftel entwickelt. Ziel ist eine vereinfachte Berechnung der durchschnittlichen Veränderung der realen Durchschnittskosten in der Price-Cap-Periode. Wesentliche Inputs des Modells sind exogen gegeben.
Insgesamt stellen analytische Modelle einen Fortschritt in der Regulierungsökonomie dar. Generell ist festzustellen, je gestaltbarer die Rationalisierungsspielräume sind, desto eher kann durch eine (analytische) Setzung eines X-Faktors eine Anreizwirkung erzielt werden. Bei geringen Rationalisierungsspielräumen befindet man sich hingegen in einer relativ statischen Welt. In dieser kann auch durch die Setzung eines analytisch bestimmten X-Faktors nur eine geringe Anreizwirkung erzielt werden. Da das Effizienzpotential gering ist, nähert sich das Ergebnis einer ausführlichen Kostenmodellierung einer Setzung des X-Faktors anhand des Durchschnitts einer Zeitreihe der vergangenen Werte der totalen Faktorproduktivität an, welche mit einem geringeren regulatorischen Aufwand verbunden sein kann, wenn ein adäquates Modell und hinreichende Kostendaten wie in den USA vorliegen. Liegt dies nicht vor, so kann es leicht zu einer einfachen Festlegung durch die Regulierungsbehörde kommen. Dies mag die bisherige regulatorische Praxis erklären. Für die konkrete Price-Cap-Regulierung der Deutschen Post AG spielt es deshalb eine wesentliche Rolle, zu identifizieren, wie groß die tatsächlichen Rationalisierungsspielräume des Unternehmens sind. Dies dürfte nicht vollständig anhand ökonometrischer Schätzungen entschieden werden können, da die gemessene Produktivität durch das Handeln des Unternehmens beeinflußbar ist. Allerdings könnte eine Kostenmodellierung aufschlußreiche Informationen liefern, anhand derer - zumindest potentiell - ein Preisniveau zu identifizieren wäre, das mit einer wettbewerblichen Kapitalverzinsung vereinbar ist. In dem mit der Kostenmodellierung verbundenen Informationsbeschaffungsprozeß dürften dann auch ein Datenpool entstehen, der bei einer analytischen Bestimmung des X-Faktors benutzt werden könnte. Diese dürfte zu einer "objektiveren" Erfassung des Produktivitätsspielraumes führen.