Wolfgang Elsenbast, Hilke Smit
Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen der Marktöffnung auf dem deutschen Postmarkt
Nr. 204 / Mai 2000
Zusammenfassung
Seit Beginn des Jahres 1998 ist durch das Postgesetz in Deutschland ein Rechtsrahmen geschaffen worden, der Marktzugangsmöglichkeiten für private Unternehmen erlaubt und ab 2003 mit dem Auslaufen der Exklusivlizenz für die Deutsche Post AG eine vollständige Marktöffnung der Postmärkte vorsieht. Im Vergleich zu anderen EU-Ländern nimmt Deutschland damit eine Vorreiterrolle ein. Vor diesem Hintergrund ist in Deutschland eine politische Diskussion darüber zu erwarten, ob der im Postgesetz vorgesehene Zeitplan für das Auslaufen der Exklusivlizenz beibehalten werden soll.
Zielsetzung der Studie für das BMWi war es daher, zu untersuchen, welche Auswirkungen eine vollständige Marktöffnung in Deutschland auf die Volkswirtschaft hat. Die zukünftige Entwicklung des deutschen Marktes für Briefdienstleistungen bei unterschiedlichen regulatorischen Voraussetzungen wurde anhand von zwei alternativen Szenarien untersucht, um so das Möglichkeitsspektrum für die Entwicklung des Postmarktes aufzuzeigen. Der Fokus liegt dabei auf den Auswirkungen auf den Postsektor. Vor- und nachgelagerte Märkte werden berücksichtigt.
Vollständige Marktöffnung ab dem Jahr 2003: Durch die vollständige Marktöffnung eröffnet sich für private Anbieter von Postdienstleistungen ein größeres Marktpotential, so dass zu erwarten ist, dass sich die Marktanteile der privaten Lizenznehmer erhöhen werden. Die Deutsche Post AG verfügt aufgrund der aktuell realisierten Größenvorteile sowie ihrer qualitativen Reputation über einen ‚First mover advantage‘. Ihre Reaktion auf die Marktöffnung wird sich in einer Veränderung ihrer Preis- und Qualitätspolitik niederschlagen. Im Ergebnis ist anzunehmen, dass das Preisniveau sinken und die Preisstruktur sich verändern wird. Des weiteren wird die Angebotsvielfalt auf dem Markt für Briefdienstleistungen steigen. Hierdurch werden die Wahlmöglichkeiten der Konsumenten erhöht und die bestehenden Bedürfnisse umfassender befriedigt.
Verlängerung der Exklusivlizenz: Die Fortschreibung der bisherigen rechtlichen Rahmenbedingungen für den Markteintritt in den Postmarkt bedeutet, dass ein Großteil – (mindestens) zwei Drittel – des gesamten Briefmarktes auch in naher Zukunft vom Wettbewerb ausgeschlossen werden. Es erscheint daher unwahrscheinlich, dass der Wettbewerb sich aus dem aktuellen Nischendasein heraus entwickeln wird. Relevante Vorteile sind aufgrund des selektiven und volumenmäßig beschränkten Wettbewerbs nur für einzelne Geschäftskunden zu erwarten. Auch ist nicht auszuschließen, dass die Deutsche Post AG ihre legale Monopolstellung im Exklusivbereich ausnutzen wird, um den weiteren Marktauftritt von Konkurrenten zu be- oder verhindern.
Nur eine vollständige Marktöffnung führt durch den aktuellen und potentiellen Wettbewerbsdruck zu preisgünstigeren und leistungsfähigeren Kommunikations- und Logistiksystemen, die als Standortfaktor für Deutschland von erheblicher Bedeutung sind. Als Fazit der Studie lässt sich daher festhalten, dass aufgrund der Vorteile der Marktöffnung aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eine vollständige Marktöffnung einer Verlängerung der Exklusivlizenz vorzuziehen ist.