Peter Stamm, Franz Büllingen
Kabelfernsehen im Wettbewerb der Plattformen für Rundfunkübertragung – Eine Abschätzung der Substitutionspotenziale
Nr. 239 / November 2002
Zusammenfassung
Die wirtschaftliche Situation der deutschen Kabelbranche ist derzeit äußerst angespannt. Ein rückkanalfähiger Ausbau der Netze und deren effizientere Nutzung unterbleibt in weiten Teilen des Landes bis die Deutsche Telekom ihre Netze verkauft hat. Die neuen Netzbetreiber gerieten in den bereits verkauften Regionen mit ihren Aufrüstungsstrategien in Finanzprobleme und müssen sich völlig neu orientieren. Das zentrale Hemmnis für die Aufrüstung der Netze und die Vermarktung neuer Dienste stellt aus Sicht der Regionalnetzbetreiber die strukturelle Trennung der Netzebenen dar. Es zeigt sich, dass erst bei einer vertikalen Integration der Netzebenen und einer weit stärkeren Konzentration der derzeit fragmentierten Betreiberlandschaft tragfähige Geschäftsmodelle für interaktive Dienste umgesetzt werden können.
Die bisherige Anwendung des GWB auf den Kabelmarkt steht jedoch einer notwendigen Konsolidierung entgegen. Auf Basis von recht engen Marktabgrenzungen können Genehmigungen für Fusionen nur dann erteilt werden, wenn positive Wettbewerbseffekte auf benachbarten TK-Märkten innerhalb des Prüfungszeitraumes von drei Jahren zu erwarten sind. Bei einer Beibehaltung dieser engen Marktabgrenzung droht dem Kabelmarkt auch weiterhin eine Fortsetzung des gegenwärtigen Entwicklungsstillstands und ein dauerhafter Rückstand gegenüber Konkurrenztechnologien wie DSL. Aufrüstungen werden in diesem Fall allenfalls punktuell bei größeren NE-4-Netzen vorgenommen.
Im Rahmen dieser Studie werden die Voraussetzungen für eine breitere Marktabgrenzung geprüft. Bei der Analyse stehen Fragen der qualitativen Substituierbarkeit, der Wechselkosten und Nutzungsentgelte und insbesondere der rechtlichen Wechselhindernisse im Mittelpunkt. Sowohl was das Programmangebot als auch was die Kosten betrifft wird eine Substitutionsbeziehung von Kabel und Satellit festgestellt, so dass sich die Frage der Marktabgrenzung damit weitgehend auf die rechtlichen Wechselmöglichkeiten zuspitzt.
Auf Basis der bestehenden rechtlichen Restriktionen wird in dieser Studie der Anteil an kurzfristig wechselfähigen Kabelkunden abgeschätzt. Das Ergebnis der Schätzung beläuft sich auf rund 46%, so dass angesichts der Kostenstruktur der Netzbetreiber dieser Kundengruppe ein ausreichendes Disziplinierungspotenzial zugeschrieben werden kann. Was das Kräfteverhältnis zwischen Kabelnetzbetreiber und den Programmanbietern betrifft, verhindern sowohl marktwirtschaftliche Mechanismen als auch die Medienregulierung ein monopolistisches Verhalten der Netzbetreiber.
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass Kabelnetzbetreiber auf Endkunden- und NE-4-Einspeisemärkten tätig sind, die derzeit neben Kabel auch die Satellitenplattformen und mit einigen Einschränkungen künftig DVB-T umfassen. Diese Substitutionsbeziehungen haben direkte Auswirkungen auf die Fusionskontrolle, die Telekommunikationsregulierung und die Medienregulierung des Kabels.
Der Diskussionsbeitrag steht zum Download zur Verfügung.