Gernot Müller, Daniel Schäffner, Marcus Stronzik, Matthias Wissner
Indikatoren zur Messung von Qualität und Zuverlässigkeit in Strom- und Gasversorgungsnetzen
Nr. 273 / April 2006
Zusammenfassung
Die „Sicherung eines langfristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnetzen“, d.h. einer qualitativ hochwertigen Versorgung, ist nach § 1 (2) EnWG einer der wesentlichen Gründe für eine Regulierung der deutschen Strom- und Gasnetze. Zusätzlich hat der Gesetzgeber im Rahmen der Einführung einer Anreizregulierung nach § 21 a EnWG vorgesehen, dass die Effizienz-vorgaben u.a. unter Berücksichtigung der Versorgungsqualität formuliert werden sollen. Dem Willen des Gesetzgebers liegt an dieser Stelle die Erkenntnis zugrunde, dass es unter einer Preisoder Erlösobergrenzen-regulierung zu einem nachhaltig wirkenden Minderanreiz für Qualitäts-investitionen kommen kann. Diesem Minderanreiz gilt es durch geeignete Systeme des Qualitätsmonitorings und der Qualitätsregulierung entgegenzuwirken. Aus Sicht des Regulierers besteht diesbezüglich das Hauptproblem in der Bestimmung des anzustrebenden Qualitätsniveaus. Zum einen ist Versorgungsqualität im Kontext der Strom- und Gasnetze ein multidimensionales Problem. Neben der Versorgungszuverlässigkeit sind die physische Qualität, die operative Versorgungssicherheit sowie die Servicequalität zu nennen, was die Frage nach geeigneten Gewichtungen der einzelnen Dimensionen aufwirft. Zum anderen besteht eine erhebliche Informationsasymmetrie insbesondere zwischen Netzbetreibern auf der einen Seite und der Regulierungsbehörde auf der anderen Seite. Zu guter letzt ist das anzustrebende Niveau ein dynamisches Phänomen. Veränderungen über die Zeit ergeben sich sowohl bezüglich der Kosten der Qualitätsbereitstellung (technischer Fortschritt) als auch bezüglich der Zahlungsbereitschaften der Verbraucher (Einkommensänderungen).
Diesen Bedingungen sollte auch der Implementierungsprozess einer Qualitätsregulierung in Deutschland Rechnung tragen. Es sollte davon Abstand genommen werden, ein möglichst umfassendes System bereits zu Beginn einzuführen. Zum einen ist die Informationslage viel zu unzureichend, zum anderen sind die Anpassungsreaktionen der Netzbetreiber nur schwer vorhersehbar. Daher ist ein schrittweises Vorgehen anzuraten, wie es auch für die meisten hier vorgestellten ausländischen Modelle charakteristisch ist. Bevor es zu einer integrierten Qualitäts- und Preis-/Erlösregulierung kommt, sollte eine Phase der Definition möglicher Qualitätsindikatoren sowie diesbezüglicher Verfahren zur Messung, Datenerfassung und Übermittlung vorgenommen werden, um schrittweise die bestehenden Informationsasymmetrien aufzulösen. In dieser Zeit zu Beginn der Anreizregulierung ist ein Rückgriff auf Standards durchaus bedenkenswert, um der latenten Gefahr einer Verschlechterung der angebotenen Qualität von Beginn an entgegen zu wirken. Hinsichtlich der Setzung der Standards sollte berücksichtigt werden, dass beim Übergang von einem bisher kostenorientierten in ein anreizorientiertes System die Netzbetreiber zwar ihre Anstrengungen mindern werden, dies jedoch in Deutschland vermutlich von einem überhöhten Startniveau aus erfolgt – jedenfalls aus wohlfahrtstheoretischer Sicht.
Der Diskussionsbeitrag steht zum Download zur Verfügung.