Martin Zauner
Wettbewerbspolitische Beurteilung von Rabattsystemen im Postmarkt
Nr. 306 / März 2008
Zusammenfassung
Seit 2008 ist der Postmarkt in Deutschland vollständig geöffnet. Gleichzeitig ist die Exante- Preisgenehmigungspflicht für Massen-sendungen, die den weit überwiegenden Teil der Briefnachfrage ausmachen, entfallen. Die DPAG kann ihre Preise jetzt flexibler gestalten und, vor allem durch die Gewährung von Rabatten, gezielter als bisher auf Markteintritte von Wettbewerbern reagieren. Rabatte für Massen-sendungen unterliegen jedoch der Ex-post-Kontrolle durch die Bundes-netzagentur (BNetzA), zusätzlich zur allgemeinen Wettbewerbskontrolle. Die Bedeutung dieser sektorspezifischen Missbrauchskontrolle ist mit dem Wegfall der Ex-ante-Genehmigungspflicht deutlich gestiegen. Ziel der Studie ist es, Kriterien zur wettbewerbspolitischen Beurteilung von Rabatten und zu erwartende Rabattmodelle zu diskutieren sowie Voraussetzungen für eine effektive Ex-post-Kontrolle abzuleiten.
Die Studie untersucht ausgewählte Rabattfälle im europäischen Postmarkt und zeigt, dass zumindest drei Arten von Rabatten grundsätzlich als missbräuchlich gesehen werden: Treuerabatte von Marktbeherrschern, Rabatte, die zu Preisen unter Grenzkosten führen und Rabatte zum Zweck der Marktmachtübertragung in wettbewerbsintensive Bereiche.
Anhand dieser Kriterien erörtert die Studie aus wettbewerbspolitischer Sicht Rabattformen, die im deutschen Postmarkt zukünftig (verstärkt) erwartet werden können: Zum Beispiel gewährt die DPAG ihren Kunden für Werbesendungen (Infopost) Mengen-Zeit- Rabatte. Dabei bemisst sich die Rabatthöhe nach Sendungsmenge je Aktion (Menge) und nach Gesamt-sendungsmenge je Quartal (Zeit). Da die zeitliche Komponente wie ein Treuerabatt wirkt, wäre eine Ausweitung der Bemessungsperiode (z. B. auf ein Jahr) kritisch zu beurteilen. Weiterhin könnte der Marktbeherrscher geografisch differenzierte Preise anwenden, d. h. seine Preise je nach Zustellregion variieren. Im Extremfall setzt er nur dort geringere Preise, wo Wettbewerber aktiv sind. Diese Preissetzung ist dann missbräuchlich, wenn sie sich v. a. an der Wettbewerbsintensität in einer Region, und nicht an Kostenunterschieden zwischen den Regionen, orientiert.
Schließlich stellt die Studie fest, dass die derzeitigen Regelungen zur Ex-post-Kontrolle in einigen Punkten angepasst werden sollten, um einen funktionsfähigen Wettbewerb im Briefdienst zu gewährleisten. Mithilfe von Anregungen aus dem Telekommunikationsrecht macht die Studie hierzu folgende Vorschläge: 1. Die Preisvereinbarungen zwischen der DPAG und ihren Kunden bleiben der BNetzA in der Regel verborgen, was eine effektive Ex-post-Kontrolle erschwert. Zur Abhilfe sollte für marktbeherrschende Unternehmen eine Anzeigepflicht gegenüber der BNetzA eingeführt werden. 2. Missbrauchs-verfahren der BNetzA sollten nicht nur von Amts wegen, sondern auch auf Antrag Dritter (etwa Wettbewerber oder Kunden-/Verbraucherverbände) eingeleitet werden können. 3. Nicht direkt zurechenbare Gemeinkosten sind im Briefmarkt von großer Bedeutung, was die Operationalisierung von Kostenkonzepten zur Missbrauchskontrolle (Grenz- oder Inkrementalkosten) erschwert. Regelmäßige Kostenanalysen durch die BNetzA erscheinen daher ratsam.
Der Diskussionsbeitrag steht zum Download zur Verfügung.