Christian Growitsch, Gernot Müller, Marcus Stronzik
Ownership Unbundling in der Gaswirtschaft – Theoretische Grundlagen und empirische Evidenz
Nr. 308 / Mai 2008
Zusammenfassung
Die vorliegende Studie versucht, einen Beitrag zu den derzeitigen Diskussionen innerhalb der Europäischen Union (EU) um die Einführung einer eigentumsrechtlichen Entbündelung (Ownership Unbundling, OU) im Gassektor zu leisten. Dabei geht es um die Frage, ob die vollständige eigentumsrechtliche Abspaltung des Netzes von den anderen Aktivitäten der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen zu einer Verbesserung der wettbewerblichen Bedingungen im Gasmarkt führt.
Theoretische Untersuchungen zu den Auswirkungen eines OU im Gassektor liegen bisher nicht vor. Zieht man für eine Beurteilung entsprechende Arbeiten für andere Netzsektoren, d.h. vor allem für den Strommarkt, heran, so lassen sich aus den dabei gewonnenen Erkenntnissen trotzdem keine eindeutigen Ergebnisse für den Gassektor ableiten; zwar deuten die theoretischen Analysen auf eine wettbewerbsfördernde und damit preissenkende Wirkung hin. Der Effekt des OU auf das Investitionsverhalten der Netzbetreiber ist aber ambivalent. Gleichzeitig ist eine eigentumsrechtliche Entflechtung mit möglicherweise erheblichen einmaligen Kosten verbunden, die in eine Kosten- Nutzen-Bewertung mit einbezogen werden sollten. Insgesamt kommen die theoretischen ökonomischen Analysen zu keinem eindeutigen Ergebnis des Für und Wider eines OU. Ein ähnliches Bild ergibt sich aus den bisherigen empirischen Arbeiten. Dort wird zwar generell ein positiver Effekt der Liberalisierung der Energiemärkte auf die Endkundenpreise ausgewiesen. Allerdings werden je nach Methodik und Untersuchungsgegenstand unterschiedliche Erfolgsdeterminanten dieser Entwicklung identifiziert.
Erstmalig wird in dieser Studie der isolierte Effekt des OU auf die Gaspreise für Haushaltskunden in 20 OECD Ländern über einen Zeitraum von 18 Jahren untersucht. Dabei wird für den Weltmarktpreis für Erdöl, strukturelle Parameter wie das BIP und das Energieangebot und verschiedene andere Regulierungsvariablen kontrolliert. Unter Verwendung moderner panelökonometrischer Verfahren wie Fixed Effects Schätzungen mit robusten Standardfehlern und eines verzerrungskorrigierten dynamischen Panelschätzers konnte ein signifikanter Einfluss der vertikalen Entflechtung nicht nachgewiesen werden. Gleichzeitig deutet die sowohl im statischen als auch im dynamischen Modell signifikante Liberalisierungsvariable auf einen preissenkenden Effekt der Marktöffnung hin. Dies ist für die aktuelle Diskussion um die Durchsetzung eines OU in der europäischen Gaswirtschaft von nicht geringer Bedeutung. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnislage scheint die Durchsetzung einer eigentumsrechtlichen Entflechtung im Gassektor nicht gerechtfertigt.
Der Diskussionsbeitrag steht zum Download zur Verfügung.