Kenneth R. Carter, J. Scott Marcus, Christian Wernick
Network Neutrality: Implications for Europe
Nr. 314 / Dezember 2008
Zusammenfassung
Netzneutralität ist ein Schlagwort, welches in den Vereinigten Staaten in der vergangenen Dekade aufgekommen ist und sich auf eine Reihe von Verhaltensweisen bezieht, die von einigen als wettbewerbsfeindlich eingestuft werden. Netzneutralität impliziert, dass alle IP Pakete im Prinzip mehr oder weniger gleich behandelt werden sollten. Die Debatte spiegelt die Besorgnis wider, dass dies in Zukunft vielleicht nicht mehr der Fall sein könnte – Netzbetreiber könnten IP Pakete welche in Verbindung mit spezifischen Diensten, Anwendungen oder Endgeräten stehen oder aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Zieldestination unterschiedlich und diskriminierend behandeln.
Ziel dieser Studie ist es, zur Klärung einiger zentraler Fragen in diesem Komplex beizutragen:
- Was bedeutet der Begriff „Netzneutralität“ genau?
- Unter welchen Voraussetzungen könnte es wettbewerbsschädigend sein zwischen verschiedenen Arten von IP Verkehr zu diskriminieren?
- Warum ist das Thema gerade jetzt aufgekommen und warum in dieser besonderen Art und Weise?
- Warum erscheint die Debatte in den Vereinigten Staaten wesentlicher hitziger und intensiver zu sein als in Europa?
- Was sollte im Hinblick auf Netzneutralität in der Zukunft unternommen werden?
In unserer Studie werden die ökonomischen Theorien, welche für die Netzneutralitätsdebatte von Relevanz sind, vorgestellt. Dabei handelt es sich um Preisdiskriminierung, Netzwerkexternalitäten, Transaktionskosten, Wechselkosten, zweiseitige Märkte sowie insbesondere das Konzept der vertikalen Marktabschottung (vertical foreclosure). Technische Aspekte zur Qualitätsdifferenzierung von IP Verkehr (packet delay, jitter und loss) werden ebenfalls kurz behandelt. Die Studie liefert Hintergrundinformationen über eine Reihe von vermeintlichen Abweichungen vom Prinzip der Netzneutralität in den USA (bspw. Madison River und Comcast) und analysiert Fälle, welche in Europa zu Besorgnis im Hinblick auf das Thema geführt haben (bspw. der iPlayer von BBC). Das verwandte Thema „Wireless Network Neutrality“ wird ebenfalls untersucht. Die eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten, welche den Regulierern in den Vereinigten Staaten zur Verfügung stehen werden vorgestellt und mit der umfangreicheren Palette von Möglichkeiten, die der europäische Rechtsrahmen für elektronische Kommunikation und das europäische Wettbewerbsrecht bieten, verglichen. Schließlich geht die Studie auch der Frage nach, wie die im Rahmen des laufenden Review Verfahrens gemachten Änderungsvorschläge die Einflussmöglichkeiten der europäischen Regulierungsbehörden vergrößern und welche negativen Auswirkungen damit verbunden sein könnten.
Eine zentrale Schlussfolgerung ist, dass sich die Rahmenbedingungen in den Vereinig-ten Staaten signifikant von denen in Europa unterscheiden. Der Wettbewerb auf den europäischen Breitbandmärkten ist wesentlich stärker ausgeprägt, was hohe Relevanz für das Thema Netzneutralität hat. Der durchschnittliche Europäer kann zwischen einer wesentlich größeren Zahl von Anbietern wählen, weswegen problematische Abwei-chungen vom Prinzip der Netzneutralität wesentlich weniger wahrscheinlich als in den Vereinigten Staaten sind. Gleichzeitig haben europäische Regulierer eine größere Auswahl an Werkzeugen (sowohl ex ante als auch ex post) um wettbewerbsschädigen-den Abweichungen vom Prinzip der Netzneutralität vorzubeugen oder um diese zu sanktionieren, falls sie bereits aufgetreten sind. Zusammengenommen stellt sich das Thema Netzneutralität somit in Europa ganz unterschiedlich und wesentlich unproble-matischer als in den USA dar.
Angesichts des unterschiedlichen Charakters des Netzneutralitätsproblems in Europa, sollte es für Regulierer und Gesetzgeber oberste Priorität haben weiterhin mögliche Probleme durch die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der zugrunde liegenden Märkte zu vermeiden. Die Kommissionsvorschläge vom 13. November 2007 erweitern die bereits verfügbaren Mittel für europäische Regulierer in maßvoller Art und Weise in erster Linie durch die Realisierung von größerer Transparenz für Endkunden. Dies erscheint als ein maßvoller und geeigneter Schritt. Für radikalere Maßnahmen sehen wir in Europa keine Notwendigkeit.
[Diskussionsbeitrag nur in englischer Sprache verfügbar]
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