Nicole Angenendt , Christian Growitsch , Rabindra Nepal, Christine Müller
Effizienz und Stabilität des Stromgroßhandelsmarktes in Deutschland – Analyse und wirtschaftspolitische Implikationen
Nr. 317 / Dezember 2008
Zusammenfassung
Die Liberalisierung der Elektrizitätsmärkte hat in vielen europäischen Ländern einen weit reichenden Restrukturierungsprozess auf allen Wertschöpfungsstufen mit sich gezogen. Zwar haben sich neue Marktplätze für den Handel von Energie etabliert, allerdings besteht eine der wesentlichen europäischen Herausforderungen weiterhin darin, ein wettbewerbliches Umfeld auf der Erzeugerstufe zu etablieren. Diese ist gegenwärtig noch durch die Dominanz einiger weniger marktbeherrschender Unternehmen geprägt. Damit sind die wesentlichen Barrieren auf der Erzeugerstufe charakterisiert. Diese Symptome zeigen sich auch in Deutschland, wo sich der Anteil an der Erzeugung im Wesentlichen auf vier große Energieversorgungsunternehmen beschränkt. Was den Handel mit Strom betrifft, so wird in Deutschland der wesentliche Teil der am Großhandelmarkt angebotenen Energie über bilaterale Verträge beschafft. Diese Handelsform wird auch als „over the counter“ (kurz: OTC) bezeichnet. Der bilaterale Handel hat grundsätzlich eine geringe Liquidität auf den Großhandelsmärkten zur Folge. Zur Stimulation der Liquidität an den Spotmärkten könnte der verpflichtende Verkauf der erzeugten Strommengen an der Börse einen Impuls liefern. Diese Verpflichtung wird auch unter dem Begriff „Andienungspflicht“ subsumiert.
Gegenstand dieses Diskussionsbeitrages ist die Durchführung einer empirischen Analyse der Effizienzsituation der OTC und am börslichen Handel determinierten Preise im deutschen Stromgroßhandelsmarkt. Zu diesem Zweck wird eine Kointegrationsanalyse sowie eine Untersuchung mit Hilfe eines Fehlerkorrekturmodells (englisch: Vector Error Correction Models, kurz: VECM) durchgeführt. Die Ergebnisse der quantitativen Analyse zeigen, dass der bilaterale Handel zu einer Stabilisierung der Volatilität im Großhandelsmarkt beiträgt. Allerdings deuten die Resultate darauf hin, dass die Stabilität des Großhandelsmarktes nicht grundsätzlich für alle Marktsegmente gilt. Die allgemein vorherrschende Ineffizienz auf dem deutschen Stromgroßhandelsmarkt könnte auf das Vorliegen vertikaler Marktmacht sowie die mangelnde Liquidität am Spotmarkt zurückzuführen sein. Daher kommen wir im Zuge der durchgeführten Analysen zu dem Ergebnis, dass der börsliche Stromhandel zu einem größeren Teil den bilateralen Handel ergänzen sollte. Eine vollständige Substitution des OTC-Marktes durch einen börslichen Handel hingegen würde zwar möglicherweise zu einer erhöhten Liquidität, Effizienz und Stabilität auf dem Spotmarkt führen, gleichzeitig wäre aber auch ein Rückgang der Stabilität zu erwarten. Im Vorfeld zu dieser quantitativen Analyse erfolgt außerdem eine eigentumsrechtliche Prüfung der juristischen Hürden einer möglichen Andienungspflicht. Diese Prüfung ergibt, dass die Einführung einer Andienungspflicht sowohl auf europäischer als auf nationaler Ebene auf eigentumsrechtliche Hürden stoßen könnte. Dabei könnte sowohl ein Verstoß des europäischen Eigentumsschutzes als auch ein Verstoß gegen Art. 14 GG in Betracht kommen. Daher sollten vielmehr eingriffschwächere Alternativen geprüft werden, wie z.B. die Verpflichtung zu mehr Transparenz- und Veröffentlichungspflichten sowohl beim börslichen als auch beim bilateralen Handel.
Der Diskussionsbeitrag steht zum Download zur Verfügung.