Zusammenfassung
Das Zähl- und Messwesen in Deutschland ist seit Ende 2008 vollständig liberalisiert. Seitdem steht dem Anschlussnutzer, d.h. dem Stromkunden, die Möglichkeit offen, nicht nur seinen Messstellenbetreiber, sondern auch seinen Messdienstleister frei zu wählen. Vormals wurden diesen beiden Dienstleistungen vom zuständigen Netzbetreiber wahrgenommen, der zusätzlich noch für die Dienstleistung Abrechnung verantwortlich war und dafür ein gemeinsames Entgelt in Rechnung stellte. Die Liberalisierung des Zähl- und Messwesens hat dazu geführt, dass die Entgelte für Messstellenbetrieb und Messung nunmehr auf einem wettbewerblichen Markt zu erwirtschaften sind, auf dem neben dem zuständigen Netzbetreiber auch dritte Messstellen- bzw. Messdienstleister aktiv sein können. Im Gegensatz dazu wird das Abrechnungsentgelt weiterhin ausschließlich vom Netzbetreiber erhoben, der dabei als regulierter Monopolist keinem Wettbewerbsdruck ausgeliefert ist. Die durch die Liberalisierung induzierte Wettbewerbssituation setzt die Netzbetreiber unter Druck, ihre Messstellenbetriebs- bzw. Messentgelte zu senken, um eine bessere Wettbewerbsposition einnehmen zu können. Gleichzeitig besteht für sie aber möglicherweise der Anreiz, strategisch zu agieren, indem sie Messentgeltbestandteile in die Abrechnungsentgelte verschieben. Dies würde bedeuten, dass sie die Messentgelte senken und gleichzeitig die Abrechnungsentgelte erhöhen, um mögliche Erlösreduktionen auszugleichen. Dies hätte zur Konsequenz, dass dritte Messstellen- bzw. Messdienstleister diskriminiert und im Extremfall aus dem Markt gedrängt werden, da sie kein Abrechnungsentgelt erheben können.
Dieser Diskussionsbeitrag untersucht empirisch, ob Evidenz für ein mögliches strategisches Verhalten der Netzbetreiber (in Form einer Quersubventionierung) festgestellt werden kann. Die Untersuchung greift dabei neben der deskriptiven Statistik auch auf paneldatenökonometrische Methoden zurück. Ausgangspunkt der Analyse sind Messstellenbetriebs-, Mess- und Abrechnungsentgelte von 796 Verteilnetzbetreibern über den Zeitraum 2007 bis 2014, die nach dem Standardlastprofil abgerechnete Kunden in der Niederspannung zu entrichten haben. Die Ergebnisse liefern empirische Indizien dafür, dass einige Netzbetreiber in der Tat strategisch agiert haben, indem sie die Messstellenbetriebs- und Messentgelte senkten bei einer gleichzeitigen Erhöhung der Abrechnungsentgelte im selbigen Jahr. Allerdings scheint dieses Verhalten nicht bei allen untersuchten Netzbetreibern gleichermaßen stark ausgeprägt zu sein. Kleinere Netzbetreiber stehen eher im Verdacht diesbezüglichen Handelns genauso wie Netzbetreiber aus ost- und süddeutschen Bundesländern. Da entsprechendes Verhalten langfristig tendenziell hinderlich im Hinblick auf die Entwicklung eines freien Markets für das Zähl- und Messwesen ist, wäre von Seiten der politisch handelnden Akteure zu prüfen, ob dagegen vorgegangen werden sollte. Allerdings müssten die Kosten eines möglichen Markteingriffs im Verhältnis zum erwartbaren Nutzen stehen und diesen keinesfalls übersteigen.
Der Diskussionsbeitrag steht zum Download zur Verfügung.