Zusammenfassung
Jemanden über das Telefonnetz anrufen oder eine SMS versenden, das funktioniert in den allermeisten Fällen ganz egal, in welchem Netz sich die Kommunikationspartner gerade befinden. Bei Diensten wie Facebook Messenger, Signal, Threema oder WhatsApp beschränkt sich die Anzahl der erreichbaren Kommunikationspartner auf die Nutzer des jeweiligen Dienstes, da diese Dienste typischerweise nicht miteinander interoperabel sind. Zahlreiche Stimmen aus der deutschen und europäischen Politik denken darüber nach, auch solchen Dienste Interoperabilitätspflichten aufzuerlegen. Der kommende European Electronic Communications Code (EECC) eröffnet diese Möglichkeit prinzipiell für Dienste mit nennenswerter Abdeckung und Nutzerbasis.
Der vorliegende Diskussionsbeitrag beleuchtet auf Basis einer Analyse des aktuellen und des kommenden europäischen Rechtsrahmens die Forderung nach Interoperabilität für Dienste wie Facebook Messenger, Signal, Threema oder WhatsApp aus Konsumentensicht. Dafür wurde eine repräsentative Befragung von 2.044 Konsumenten in Deutschland durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass Konsumenten keinen Bedarf an Interoperabilität von WhatsApp und vergleichbaren Diensten haben. Ganz im Gegenteil nutzen Konsumenten die technischen Grenzen dieser Dienste proaktiv, um verschiedene soziale Gruppen innerhalb ihres persönlichen Netzwerks von einander zu separieren.
Da selbst gegen das eindeutige Konsumenteninteresse andere volkswirtschaftliche Gründe für die Auferlegung einer Interoperabilitätsverpflichtung sprechen könnten, geht der Diskussionsbeitrag ebenfalls auf mögliche Einflüsse einer solchen Verpflichtung auf Innovation, Wettbewerb und Datenschutz ein. In keinem der drei Bereiche werden eindeutig positive Auswirkungen identifiziert. Eine Interoperabilitätsverpflichtung, insbesondere eine asymmetrische, würde Innovationsanreize minimieren und somit den aktuell starken Wettbewerb zwischen den verschiedenen OTT-Diensten um neue Funktionen reduzieren. Das Datenschutzniveau würde ebenso unter einer Interoperabilitätsverpflichtung leiden, da sich der technologisch niedrigste Grad an Datenschutz zwischen den Diensten der Kommunikationspartner durchsetzen würde und nicht der jeweils höchste. Ebenso werden zwangsläufig Daten zwischen den Servern der beteiligten Dienste ausgetauscht. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass die Daten innerhalb des Dienstes mit dem jeweils höheren Datenschutz verbleiben.
Notrufe könnten ein weiterer Grund für eine mögliche Verpflichtung zur Interoperabilität über die bisherigen Dienste zum Notruf hinaus sein, wenn ein wesentlicher Teil der Bevölkerung nicht auf Telefonie für Notrufe setzen würde. Die Befragung für diesen Diskussionsbeitrag kann auch dies nicht bestätigen. Praktisch alle Konsumenten in Deutschland setzen Notrufe über die traditionelle Anruffunktion ihres Festnetz- oder Mobiltelefons ab oder würden dies tun, wenn es nötig wäre.
Vor diesem Hintergrund sollte von den Möglichkeiten, die der EECC mit Blick auf Interoperabilitätsverpflichtungen insbesondere für nummernunabhängige Dienste eröffnet, kein Gebrauch gemacht werden.
Der Diskussionsbeitrag steht zum Download zur Verfügung.